Das Unternehmensarchiv als gelebte Geschichte

Der Arbeitsalltag wird von Angeboten, Aufträgen oder Rechnungen dominiert. Der Blick geht in die Zukunft. Themen wie Innovation, Budget, Forschung haben in unserer Wirtschaftskultur oberste Priorität.

Dabei vergisst man oft, dass ein Unternehmen auch Geschichte hat. Sie ist in Traditionsunternehmen ein wertvolles Gut. Und das kann einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen:

  • Ein Unternehmen wurde irgendwann vor geraumer Zeit gegründet.
  • In der Folge hat es expandiert und seine Geschäftsfelder verändert.
  • Es hat Krisen vielleicht sogar Kriege überdauert.
  • Dabei war es innovativ und hat Zeiten großer technologischer Neuerungen für sich zu nutzen gewusst.
  • In all der Zeit hat es auch Köpfe hervorgebracht, die für Beständigkeit und Anpassungsfähigkeit in der Vergangenheit standen.
  • Schließlich hat es sich einen Ruf erarbeitet und fand schon in der Vergangenheit große Beachtung.

Versteht man ein Unternehmen lediglich als Wirtschaftsbetrieb, der nach zweckrationalen, wirtschaftlichen Maßstäben Sachgüter und Dienstleistungen für einen Markt produziert, blendet man wesentliche Dimensionen aus. Ein Unternehmen ist wesentlich mehr: Unternehmen sind komplexe soziale Organisationen, die […] als verantwortungsbewusste Arbeitgeber handeln und sich intensiv mit ihren Märkten und Zielgruppen auseinandersetzen.“ (S15, Schug)

Arbeiterinnen in Fabrikshalle an Montagetischen

Warum Geschichte?

Die Geschichte eines Unternehmens ist der Hort der Identität, des Images aber auch Identifikation. Und das ist in unserem dynamischen Jetzt ein großes Thema:

  • Globalisierte Märkte
  • Mitarbeiter, die dem Unternehmen immer kürzere Spannen zur Verfügung stehen
  • sich ständig änderndes Konsumverhalten
  • ständige technische Neuerungen

All das erweckt in Kunden (aber auch MitarbeiterInnen) ein Bedürfnis nach festen Werten. Sie brauchen ein Gefühl der Vertrautheit und der stabilen Beziehung. Um dieses Gefühl bemüht sich das History Marketing. Und kein History Marketing ohne Unternehmensarchiv.

Unternehmensarchiv

„Das firmeneigene Archiv ist der Dreh- und Angelpunkt des History Marketing. Ohne das Archiv als Ressource für alle mit der Geschichte zusammenhängenden Fakten können die unterschiedlichen Instrumente des History Marketing [ie Ausstellungen, Merchandising, Publikationen, Museum, Geschichtsvereine …] nur mühsam angewendet werden.“ (S135, Schug)

M-BOX hat dem Unternehmensarchiv als Teilbereich seiner Anwendungsmöglichkeiten immer große Aufmerksamkeit geschenkt; und kann mit Stolz auf namhafte Unternehmen mit langer Tradition als zufriedene Kunden verweisen.

Quelle: Schug, Alexander – History Marketing, 2003, transcript Verlag, ISBN 3-89942-161-2

EUMIG – eine bewegte Geschichte

M-BOX-Interview mit Uschi Seemann, Enkelin des Firmenmitbegründers Karl Vockenhuber und Tochter des langjährigen Mit-Geschäftsführers Ing. Karl Vockenhuber. Frau Seemann hat ein großes, museales Erbe übernommen. Mit engagierten Mitstreitern, viele davon ehemalige Angestellte der Firma, arbeitet sie die Firmengeschichte der Firma EUMIG auf, die 1978 „der Welt größter Hersteller von Tonprojektoren“ war und „als Erzeuger von Schmalfilmgeräten eine führende Position am Weltmarkt“ innehatte (Quelle: eumig.at).

Abbildung 1: Prinz Philipp besucht Eumig (1969)

M-BOX: Ein Firmenmuseum mit Firmenarchiv für ein Unternehmen, das man heutzutage als Global Player bezeichnen würde, mit einer 60jährigen sehr bewegten Firmengeschichte – wie kommt man zu so einer Mammutaufgabe?

Fr. Seemann: Eigentlich hatte die Familie mit dem Thema abgeschlossen, als 2008 ein ehemaliger Mitarbeiter auf mich mit dem Vorschlag zukam, für 2009 eine Erinnerungsausstellung zusammenzustellen.

Ergebnis damals war eine kleine Gedächtnisausstellung zum 90. Firmenjubiläum und zum 90 Geburtstag des Vaters in Guntramsdorf. Das Interesse war riesengroß. Mit der darauffolgenden Wanderausstellung durch einige Bundesländer in Österreich konnten wir bei fast jeder Ausstellung 10.000 Besucher zählen. Da war das Projekt Eumig-Museum nicht mehr zu stoppen.

M-BOX: Das EUMIG- Museum ist sicher mehr als nur eine technische Ausstellung alter Projektoren … Fr. Seemann: Wir wollen die Geschichte des Unternehmens erzählen. Vor allem auch für unsere ehemaligen Mitarbeiter. (Frau Seemann erinnert sich, dass bereits ihre erste Tätigkeit in der Firma eine kleine, geschichtliche Aufarbeitung der Firma im Zuge einer Ferialarbeit war.)

Eumig hatte zur Hochblüte 7.000 Angestellte, vor allem Frauen, und war ein außergewöhnlich sozialer Betrieb. Bereits 1956 wurde die 40 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt, 1974 alle MitarbeiterInnen in den Angestelltenstatus übernommen. Dieses soziale Denken, das von meinem Vater ausging, gilt es, gerade in der heutigen Zeit, zu dokumentieren.

Wenn wir mit ehemaligen MitarbeiterInnen sprechen, so bestätigen sie uns, dass die Zeit bei EUMIG die „schönste Zeit ihres Lebens“ war. Und deshalb gilt es auch, mit den noch lebenden Mitarbeitern die Wahrheit über das dramatische Ende der Firma EUMIG herauszuarbeiten.

Abbildung 2: Projektormontage (1961

M-BOX: Wahrheit, Ende?

Fr. Seemann: Es ist uns wichtig, den damaligen Untergang von EUMIG in all seinen Facetten zu beleuchten. Dazu gab es mehrere Gründe wie die Ölkrise, von der alle EUMIG Produkte betroffen waren, die damals 30%ige Luxussteuer, der schwierige Übergang von Schmalfilm auf Video, der Flop, des mit Polaroid entwickelten Produktes, ein Finanzdirektor, der das Controlling vernachlässigte, die Neuerrichtung des Werkes Fohnsdorf, das Unverständnis zwischen den Firmenleitern Ing. Karl Vockenhuber und DDr. Raimund Hauser … um nur einige Gründe zu nennen.

Als Polaroid seine Verträge beendete, mussten im Werk Fürstenfeld 2.000 Leute entlassen werden. Es war die erste Massenentlassung der Republik und das just in den Jahren, in denen Kreisky seine Vollbeschäftigung proklamierte. Die EUMIG fiel nach einigen Wirren in das Eigentum der Länderbank und wurde später in Konkurs geschickt.

Abbildung 3: Besuch Bundeskanzler Klaus (1970)

M-BOX: Und welche Rolle spielt M-BOX bei dieser großen Aufgabe?

Fr. Seemann: Die M-BOX ist die Sensation in unserem Museum. Wir archivierten bereits über 3000 Hardware-Gegenstände, hunderte Fotos und Stöße an schriftlichen Unterlagen sind noch aufzuarbeiten. Dazu kommt die ganze Literatur und die Aufarbeitung der Firmenzeitschrift EUMIG LUPE.

M-BOX ist für uns unverzichtbar. Ich kann nur sagen: sie ist eine super Einrichtung und unerlässliche Hilfe, alles im Griff zu haben. Wir können M-BOX jedem empfehlen, der ein Archiv aufbaut.

Dank unseres mit M-BOX gut strukturierten Archivs können wir uns jetzt darauf konzentrieren, die Firmengeschichte anschaulich zu präsentieren. So haben wir zum 100jährigen Firmenjubiläum 100 Filme aus der Bevölkerung auf Super-8 in Dauerschleife gezeigt. Das weckte bei Vielen alte Erinnerungen. Es war ein großes Erlebnis, die Menschen im Museum vor Rührung und Freude weinen zu sehen.

M-BOX: Wer jetzt Interesse an der Geschichte von EUMIG hat, wo kann man sich informieren?

Frau Seemann: wir haben eine interessante Homepage, die viel Hintergrundwissen bietet: http://www.eumig.at

Und unser Museum in Wiener Neudorf jedes Wochenende, Sa 15-18 Uhr und So 9-12 Uhr geöffnet.



Wir danken Frau Seemann für das Gespräch.

Fotos: alle Bilder Eumig Museum